TIKAANI - mein ständiger Begleiter

TIKAANI - das ist Inuit und bedeutet "Wolf". Nein, ein Wolf ist er nicht, aber es steckt sehr viel von diesem faszinierenden Tier in ihm. Ein typischer Sibirian Husky? Nein, auch nicht so wirklich - keine Ausbruchsversuche, kein Mobiliarzerschreddern, kein Essen vom Tisch klauen, nichts von allem, mit dem andere Husky"besitzer" zu kämpfen haben. Er ist einfach eine unglaublich liebe  Fellnase - zumindest solange keine anderen Hunde in "sein Revier" eindringen. Trotz allem ist und bleibt er ein Sibirian Husky, eigenwillig, selbständig, kaum erziehbar ("Kadavergehorsam" ist diesen Hunden fremd), tut, was er für richtig und sinnvoll hält, bringt mich manchmal an den Rand des Wahnsinns - und schenkt unheimlich viel Liebe!

Tikaani kam im März 2015 zu uns.Und das trug sich so zu: nachdem unser geliebter Sam, ein Neufundländer-Labrador-Mix und eine Seele von einem Hund, nach 15 Jahren über die Regenbogenbrücke ging, hatten Schatzili und ich beschlossen, keinen neuen Hund anzuschaffen. Es fehlt uns einfach die Zeit. Schatzili ist mit ihrem Diktatservice von früh bis spät an den PC gefesselt, ich meist auf Märkten unterwegs oder mit Haushalt und Garten ausgelastet. Dazu wieder einen Hund? Nein, dem würden wir wohl kaum gerecht werden können. Doch nach einem halben Jahr musste ich feststellen, dass ich einfach nicht so ganz ohne ein Felltier auskommen kann. Was also tun in dieser Lage? Die Lösung liegt nur wenige Kilometer weiter, mitten im Wald: das "Nordlicht für Notfelle" - eine Auffangstation für nordische Hunde. Und das "Nordlicht" sucht immer Menschen, die die Stationshunde gelegentlich ausführen. Also dachte ich mir, das wäre eine gute Idee. Wann immer ich Lust und Zeit hätte, könnte ich dorthin fahren, mir einen der Hunde schnappen, ein paar Stunden mit ihm im Wald verbringen und das Tier dann wieder abliefern. Schatzili und ich also an einem schönen Sonntagnachmittag hin zur Auffangstation, alles besichtigt und mit Corinna, der Stationschefin gesprochen, uns über Husky und Co. informiert und in unserem Plan bestärkt: Spazierengehen ja, zu uns holen nein. Aber wie es so ist mit Plänen, erstens kommt es anders als man zweitens meistens denkt. Gerade als wir das Gelände verlassen und nach Hause wollten, kam Birgitte Lauritzen, eine in Dänemark und der Husky-Szene sehr bekannte Trainerin mit eigenem Gespann. Und sie brachte Tikaani (damals hieß er noch Rocky) mit, ein ungewöhnlich großer, sehr agiler und kaum zu bändigender Sibirian Husky mit einer sehr traurigen Geschichte. Er sollte in Dänemark eingeschläfert werden, weil er zuerst die Wohnung der Vorbesitzer zerlegt hatte und dann diese selbst zerschreddern wollte. Wen wundert´s? Einen Husky 4 Jahre lang in einer kleinen 2-Zimmer-Wohnung zu halten, ihn über Tag alleine lassen, keine Bewegung, keine Arbeit , keine Auslastung - und kein "Rudelführer". Kein Wunder, dass ein Husky dabei irgendwann "komisch" wird. Doch der Tierarzt hat ihn gerettet und an Birgitte abgegeben. Sie wollte ihn  eigentlich in ihr Rudel integrieren, doch der Versuch scheiterte. Tikaani kam mit den anderen nicht zurecht, zerlegte sogar einen ihrer Hunde. Also blieb nur die Lösung, ihn nach Deutschland zum "Nordlicht" zu bringen,

Wir begegneten uns am Tor. Ich sah ihn und war hingerissen. Er sah mich, sprang an mir hoch, schaute mir in die Augen und sagte: Du bist mein neues Herrchen! Es war um mich geschehen, meine Pläne zerplatzt wie Seifenblasen. Dieser Husky musste zu mir! Schatzili war nicht so euphorisch. Den Verlust von Sam noch nicht überwunden, durch Corinnas Erzählungen etwas abgeschreckt und eigentlich überhaupt noch nicht bereit für einen neuen Hund. Aber sie sah auch, was zwischen Tikaani und mir passiert war und gab ungern aber dennoch ihre Zustimmung. Doch so einfach ist das nicht mit den Husky. Corinna, die Stationschefin, hat die richtige Einstellung: gerne gibt sie die Hunde ab, aber es muss passen. Und bevor sie davon nicht überzeugt ist, verlässt kein Hund ihre Station. Ich bekam also den "Auftrag", mich  um Tikaani zu kümmern und in 3 oder 4 Wochen wollte Corinna anfangen, darüber nachzudenken, ob ich Tikaani mit nach Hause bekäme. Und ich habe mich gekümmert. Jeden Tag fuhr ich zur Station und verbrachte etliche Stunden mit Tikaani, im Wald laufen, spielen, toben. So ging es ungefähr 1 Woche, bis Corinna mich nach einem Hundegang zu einem Käffchen einlud. Wir saßen im Vereinsheim und draußen ertönte ein tiefes Grollen, das immer lauter wurde und zu einem echten Wolfsheulen anwuchs. Das hatte ich so noch nie gehört. "Das ist dein Hund", sagte Corinna, "das geht jetzt noch ein paar Minuten, bis alle Hunde angesteckt sind, und dann habe ich für die nächsten Stunden ein Rudel nervig-heulender Wölfe hier. Nimm das Tier bloß mit!". 2 Tage später ist Tikaani bei uns eingezogen, 2 Tage, in denen das Schatzili rotiert ist: es musste ja alles vorbereitet werden, eine Felldecke im Flur, eine im Wohnzimmer, das Sofa in ihrem Büro mit einer Wolldecke überzogen, einen Kasten für Wasser- und Futternapf musste ich noch schnell bauen, für das Tier einkaufen, natürlich nur das Beste vom Besten, Rinti, getrochnetes Hirschfleisch, Rehstücke mit Preiselbeeren und getrocknete Ananas mit Hühnerbrust - eben typisches Huskyfutter...

Und dann kam er zu Hause an: verunsichert, alles neu, alles fremd. Er zog sich zurück, zeigte keine Reaktionen, keine Gefühle, blieb für sich alleine, lag auf einer seiner Felldecken. Es war, als wäre er gar nicht da. "Iceman" nannte Schatzili ihn und so verhielt er sich auch. Wir ließen ihn in Ruhe, gaben ihm die Zeit, die er für sich brauchte. Es dauerte ungefähr ein Jahr, bis er sich entgültig eingelebt hat, "unser Husky" wurde und nun sein "Rudel" gefunden hat. Wir lieben ihn und er liebt uns. Das einzige "Problem" besteht darin, dass Tikaani komplett auf mich fixiert ist. Ich kann ihn mittlerweile schon mal ein paar Minuten mit Schatzili alleine zu Hause lassen, aber länger auch nicht, denn sonst stimmt er wieder sein Wolfsheulen an, lässt sich nicht beruhigen, geht nicht aus, verweigert Wasser und Futter. Also muss er mit mir mit. Ob ich Besorgungen zu erledigen habe, Freunde besuche oder auf einen Markt fahre - Tikaani ist immer dabei.


Die letzte Reise ist  nicht das Ende

Heimdall blies sein Gjallahorn, sein dumpfer Schall fuhr mir in Mark und Bein. Der Bifröst öffnete sich und ich wusste, die Zeit ist gekommen. Er lag in meinen Armen, sein Blick war leer, seine Kraft gewichen. 10 Jahre hat er uns begleitet, uns jeden einzelnen Tag seine Liebe geschenkt, Freude gebracht, Trost gespendet, uns zum Lachen gebracht. Nun musste er gehen.  Er war nicht nur ein Hund, er war meine Seele. Und als sein Herz zu schlagen aufhörte, zerbrach meines. Er ging über den Bifröst und ein Stück meiner Seele begleitet ihn, wo immer er auch sein mag. Unerträglich ist der Schmerz, den wir leiden. Ein Meer von Tränen und eine unendliche Leere umgeben uns. Alle Gedanken nur bei ihm. Er ist nicht mehr da. Niemals wieder wird er "seinen" Garten gegen böse Vögel und Katzen verteidigen, niemals wieder eine Schale mit Haselnüssen im Wohnzimmer verteilen, niemals wieder über die Lehne des Sofas blicken bevor er sich in sein Kuschelbett legt, niemals wieder mit uns spielen, toben, seine Käseration einfordern. Er ist fort und mit ihm ein großes, wichtiges Stück unseres Lebens. Doch das ist nicht das Ende. Wir werden ihm folgen, wie er die Regenbogenbrücke überqueren. Wir werden ihn wiedersehen, wir werden wieder mit ihm zusammen sein, mit ihm und Sam, seinem Mentor, der ihm gezeigt hat, wie wir "um die kleine Kralle zu wickeln sind". Dann werden wir wieder glücklich sein, wir alle zusammen, meine geliebte Frau Sylvia, ihr Seelenhund Sam, mein Seelenhund Tikaani und ich...


Ein riesengroßer Dank geht an Olaf Aust vom Tierfriedhof Lohbarbek. Olaf hat uns die schwere Bürde abgenommen, uns um Tikaani zu kümmern, die letzte Reise seines Körpers zu vollenden. Er hat sich sehr liebevoll und mitfühlend um Tikaani gekümmert und seine Asche in einer wunderschönes Urne nach Hause gebracht. Vielen, vielen Dank, Olaf.